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ADHS Aktuell

Editorial

Der Schwerpunkt des vorliegenden Newsletters befasst sich mit dem Thema «Transition». In einem ersten Beitrag lässt unser Vorstandsmitglied Dr. med. Stephan Kupferschmid die Referate unserer Jahrestagung «Transition from child to adult mental health care: the knowns, the known unknowns, and the unknown unknowns» von Prof. Swaran Preet Singh von der University of Warwick, Medical School aus Grossbritannien und «Transitionslücke und ADHS» von ihm selbst Revue passieren.

Auf diese Ausführungen folgt die Eröffnung einer neuen Reihe, die sich der Vorstellung unseres Vorstands in Zusammenhang mit Informationen zu ADHS in Form von Interviews widmet. Die Ouvertüre findet mit Prof. Dr. med. Dominique Eich-Höchli, Gründungsmitglied der SFG ADHS, statt.

Rund um den Themenbereich Jugendliche und junge Erwachsene dreht sich schliesslich ein Artikel über TikTok und ADHS – ein momentan in den Medien präsentes Thema. Es wird eine Studie zur wissenschaftlichen Qualität von ADHS-Beiträgen auf TikTok zusammengefasst mit anschliessenden Kommentaren unseres Vorstandsmitglieds Dr. med. Roland Kägi und unserer Beirätin Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Susanne Walitza.

Abschliessend machen wir wie gewohnt auf Veranstaltungen in Bezug auf ADHS aufmerksam und unser Mitglied Dr. med. Oliver Bilke-Hentsch möchte im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Fachsprechstunde ADHS und Komorbidität auf neue Stellenangebote an der Luzerner Psychiatrie hinweisen und Personen unserer Fachgesellschaft einladen, sich konzeptionell und/oder konkret einzubringen. Ein politischer Vorstoss auf kantonaler Ebene in Luzern führte erfreulicherweise zu einer neuen Psychiatrieplanung und in der Folge zu einer Verbesserung der Versorgungssituation. Weiter möchten wir die Möglichkeit der Intervision für Mitglieder der SFG ADHS aufzeigen, die von MSc Vanessa Ribolla und Dr. med. Alexander Böckmann koordiniert werden. Und last but not least würden wir uns freuen, wenn Sie uns auf unserem neuen LinkedIn Profil besuchen würden.

Einen grossen Dank für das Engagement in Bezug auf ADHS möchten wir Dr. med. Meinrad Ryffel und der Nationalrätin Yvonne Feri aussprechen. Auf Initiative unseres Mitglieds Dr. med. Meinrad Ryffel, der sich mit dem BAG wegen der Limitatio von Stimulanzien in der Spezialitätenliste in Verbindung setzte, kam eine Stellungnahme der SFG ADHS zu Stande, die im Moment zur Unterzeichnung zirkuliert und in Kürze dem BAG übermittelt wird. Dank Yvonne Feri wurden zwei parlamentarische Vorstösse auf Bundesebene eingereicht, um eine bessere Versorgungssituation im Bereich ADHS zu erzielen.

An der Mitgliedertagung kam von Seiten des Publikums der Wunsch nach Information über die Einsetzung der finanziellen Zuwendung. Da wir die Spende sorgfältig und nachhaltig für die in den Statuten erwähnten Vereinszwecken einsetzen möchten, haben wir Ende August eine Retraite einberufen, um eine neue Vereinsstrategie zu definieren. Über die Resultate informieren wir gerne im nächsten Newsletter, der Ende September erscheinen wird.

Wir wünschen Ihnen eine schöne Sommerzeit und grüssen Sie freundlich.

Schweizerische Fachgesellschaft ADHS

Dr. Susanne Kempf, Geschäftsstelle

 

Tagung der Schweizerischen Fachgesellschaft ADHS am 09.03.2023 in Bern
Transition: Eine Lücke in der Behandlungskette

 

Unter Transition versteht man den besonders vulnerablen Übergang vom Jugendalter zum jungen Erwachsenenalter. In dieser Transitionsphase erfolgen einerseits biologische, aber auch soziale und psychologische Entwicklungsschritte. Gleichzeitig findet ein Wechsel für die Patientinnen und Patienten mit ADHS im Versorgungssystem, weg von der Kinder- und Jugendpsychiatrie hin zum Versorgungssystem der Erwachsenenpsychiatrie statt.

Das Eröffnungsreferat zu diesem Thema wurde von Herr Prof. Swaran Preet Singh von der University of Warwick, Medical School aus Grossbritannien gehalten. Herr Prof. Singh ist Mitautor vieler Publikationen zu dem Thema und hat wesentlich zu einer Verbesserung der Transition in Grossbritannien beigetragen. Eine Studie aus dem Jahr 2010 betont die Notwendigkeit einer optimierten Transition zwischen den Gesundheitsanbietern. In dieser Studie stellte Herr Prof. Singh die Kriterien für eine optimale Transition vor. So sollte es zu einer Periode der parallelen Behandlung kommen, ein gemeinsames Planungstreffen und auch eine Weitergabe von Informationen zwischen den zuständigen Personen. Ernüchternd zeigte sich jedoch, dass von diesen Kriterien bei weniger als 5 % der Patienten alle erfüllt waren und bei einem grossen Teil der Patienten keines der Kriterien oder nur eines erfüllt werden konnten. In seinem Referat stellte Herr Prof. Singh in der Folge die Bemühungen aus England vor, mit Hilfe einer NICE guideline diese Transitionsprozesse standardisiert und verbessert zu gestalten. Darauf stellte Herr Prof. Singh die Milestone-Studie vor. Diese Studie weitet die Frage der Transition auf Europa aus und wurde in vielen Ländern wie Deutschland, Frankreich, Italien durchgeführt. Es wurde erhoben, wie sowohl die Architektur der psychiatrischen Versorgung als auch die Übergänge vom Jugendalter ins junge Erwachsenenalter dargestellt werden. Ernüchternderweise gab es in 60 % der untersuchten Länder keine Planung des Transitionsprozesses. So ist also noch viel Luft nach oben für eine verbesserte Versorgung. In einer weiteren Studie ging es um die individuellen Gründe der Beendigung der Therapie. Dabei wurden Gründe wie eine fehlende Krankheitsschwere, aber auch fehlende Brückenangebote genannt. In dieser Studie kam klar zum Tragen, dass auch die Beendigung der kinderpsychiatrischen Behandlung zu wenig vorbereitet war.

Zusammenfassend war die Empfehlung, dass es zu einer strukturierten Zusammenarbeit zwischen den Versorgungssystemen kommen sollte, die durch Leitlinien und "Transition Guidlines" abgestützt werden sollte. Herr Prof. Singh sieht in dieser geleiteten Transition eine grosse Möglichkeit, um die Versorgung von jungen Menschen mit ADHS nachhaltig zu verbessern.

Das zweite Referat der Veranstaltung eröffnete Herr Dr. Stephan Kupferschmid mit einem Blick auf eine Longitudinalstudie von Caspi et al. Dabei zeigte sich, dass früh beginnende psychische Störungen, wie die ADHS, eine deutliche Beeinträchtigung über die Lebenspanne bewirken und in der Folgezeit auch mit erhöhten Komorbiditäten einhergehen. ADHS beginnt typischerweise sehr früh in der Biografie und hat dann eine Reihe von Auswirkungen und Veränderungen zur Folge. Insbesondere die Phänomenologie in der Transition hat dabei eine besondere Beachtung verdient. So verändert sich die motorische Unruhe, die Hyperaktivität häufig und manifestiert sich dann im Erwachsenenalter häufig eher in einem inneren Unruhegefühl und einem "Getrieben sein". Die Aufmerksamkeitsspanne kann zwar entwicklungsbedingt zunehmen und sich verbessern, bleibt jedoch auch im Erwachsenenalter im Vergleich zu Gleichaltrigen ohne ADHS reduziert. Sehr interessant ist die Situation der Affektlage. Hier zeigt sich bei jungen Erwachsenen mit ADHS eine zunehmende affektive Instabilität mit möglicherweise Stimmungsschwankungen. Krankenkassendaten aus Deutschland zeigen, dass um den 18. Geburtstag ein dramatischer Rückgang von Inanspruchnahme bei Patienten mit ADHS stattfindet, so sinkt die Zahl der sich in Behandlung befindenden Patientinnen und Patienten um 70 % ab. Von den Patienten, die Medikamente im Alter von 15 Jahren erhalten haben, erhält im Alter von 21 Jahren fast nur noch jeder 10. eine adäquate Medikation. Dies ist mit dem alleinigen Rückgang von Symptomen nicht zu erklären, sondern deutet vielmehr einen Bruch in der Behandlung an.

Mit dem Übergang ins Erwachsenenalter verändert sich die Phänomenologie und gleichzeitig treten neue Komorbiditäten auf. Diese Komorbiditäten können sowohl im somatischen als auch im psychiatrischen Bereich liegen. Im somatischen Bereich sind dies Themen wie Übergewicht, Diabetes aber auch Asthma und Schlafstörungen. Im psychiatrischen Bereich kommt es zu einer massiven Erhöhung bei Depressionen, bipolaren Störungen, Angststörungen und vielen anderen psychiatrischen Störungsbildern bei Menschen mit ADHS. So kann man sagen, dass im Erwachsenenalter das Vorliegen einer Komorbidität eher der Regelfall als die Ausnahme ist. Daraus folgt, dass insbesondere in der Transition erneut eine diagnostische Abklärung von Komorbiditäten bei Jugendlichen mit ADHS vorgenommen werden sollte. Im weiteren Verlauf des Referates ging Herr Kupferschmid noch auf das gemeinsame Vorkommen von ADHS mit relevanten psychiatrischen Störungen ein. Als ein Beispiel wählte er Traumafolgestörungen. Dabei ist es interessant, dass es eine Überlappung von zentralen Themen von Traumafolgestörungen und ADHS wie zum Beispiel Konzentrationsproblemen oder Unruhe gibt. Auch zeigt sich, dass Kinder mit ADHS-Diagnose ein grösseres Risiko für Traumatisierungen haben. Eine ADHS-Diagnose ergibt bei gleichzeitiger Traumaexposition eine deutlich stärkere Ausprägung der Symptome. Dies lässt sich gut mit dem Transaktionalen Traumabewältigungs-Modell verstehen, bei dem auch Merkmale des Individuums eine wichtige Rolle spielen. So können prätraumatische psychische Gegebenheiten, wie z. Bsp. das Bestehen einer ADHS, die Resilienz mindern und so zu einer Ausprägung der Traumafolgestörung beitragen.

Im letzten Teil fokussierte Herr Kupferschmid auf die möglichen Verbesserungen der Versorgung von jungen Menschen mit ADHS. Gerade die Transitionspsychiatrie kann hierbei ein neues Paradigma schaffen, dass diese Übergangsphase mit den hohen Prävalenzen an psychischen Belastungen und den relevanten Veränderungen gut begleiten kann. Als ein positives Beispiel in der Schweiz kann - abseits vom Thema ADHS – das Früherkennungs- und Therapiezentrum für psychische Krisen in Bern (FETZ) sein. Dort werden Patientinnen und Patienten vom 8. bis zum 40. Lebensjahr behandelt und diagnostiziert. Die besondere Beschäftigung mit dem Thema Psychose-Risiko legt diese Altersspanne nahe. Sie ist also vom Patienten und vom zu verstehenden Erscheinungsbild hergedacht.

Am Ende des Referates fasste Herr Kupferschmid ein paar Formulierungen zusammen. So sieht er eine gute Übergabe innerhalb des Gesundheitssystems und eine erneute Evaluation der Diagnose als Voraussetzung um die Transitionslücke zu schliessen. Dabei sind Komorbiditäten hoch relevant. Die multimodale Therapie sollte neu evaluiert werden und auch die Medikation an die neuen rechtlichen und evidenz-basierten Grundlagen angepasst werden.

 

Vorstellungsrunde Vorstand:
Prof. Dr. med. Dominique Eich-Höchli, Co-Präsidentin

 

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Dominique, Du bist bereits einige Jahre Co-Präsidentin der SFG ADHS. Wie bist Du zur SFG ADHS gekommen? Oder allenfalls die SFG ADHS zu Dir?

Ich bin mit der Diagnose ADHS in Kontakt gekommen in den frühen 90er Jahren durch meine Arbeit im Bereich für Abhängigkeitsstörung der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK), wo ich die minderjährigen Betroffenen behandelte. So lernte ich das Expertenpaar Dres. med. Ryffel kennen, welches mich unterstützte. Bald gründete ich einen Qualitätszirkel zu ADHS in Zürich. Auf Schweizer Ebene begannen wir eine Interessengemeinschaft zu ADHS zu planen, welche als sfg-adhs im September 2006 gegründet wurde. Ich bin Gründungsmitglied und von Anfang an Co-Präsidentin für den Erwachsenenbereich, Herr Ryffel, Kinderarzt, war Co-Präsident für den Kinderbereich.

Ab welchem Zeitpunkt hast Du gewusst, dass Du Psychiaterin werden möchtest? Wie war Dein Werdegang und wie kam es zur Gründung des Spezialambulatoriums für Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen (ADHD) an der PUK Zürich?

Während des Wahlstudienjahres im Medizinstudium orientierte ich mich an denjenigen Ärztinnen mit eigener Familie, welche auf mich zufrieden wirkten. Das waren eben solche aus dem Fachbereich Psychiatrie und so landete ich in der Psychiatrie.

Nach meiner Facharztausbildung und einem Forschungsaufenthalt im Depressionsbereich am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München wurde mir eine Stelle als Oberärztin im Ambulatorium für Abhängigkeitserkrankungen der PUK angeboten. Damals betreuten wir dort auch minderjährige Jugendliche mit Abhängigkeitserkrankungen. So begann ich mich mit der Diagnose ADHS auseinanderzusetzen, nahm an amerikanischen Selbsthilfe-Kongressen für ADHS-Betroffene teil und besuchte Kurse zu ADHS an der Harvard Medical School.

Diese Zusatzausbildungen ermöglichten mir zuerst im kleinen Rahmen ADHS-Betroffene Jugendliche zu behandeln und damit eine Unterabteilung in der PUK Zürich aufzubauen.

Inwiefern hat sich die ADHS-Diagnostik seit den Anfängen verändert und wird die Diagnose in nächster Zukunft eine klinische bleiben?

Bezüglich ADHS-Diagnose (ich verzichte auf den geschichtlichen Hintergrund und möchte lediglich Heinrich Hoffmann mit dem Struwwelpeter, 1845 publiziert, nennen) hat sich in unseren Diagnosesystemen (ICD und DSM) viel getan. Die Diagnose einer ADHS kann im Kindesalter deutlich später (bis 12 Jahre) gestellt werden und sie ist «im Erwachsenenalter» angekommen. Die Autismus-Spektrumsstörung ist heute im DSM kein Ausschlusskriterium mehr. Es ist inzwischen bekannt, dass sich die einzelnen Symptome mit zunehmendem Alter verändern (Syndromshift) und einiges mehr. Störende Symptome müssen in mindestens zwei Lebensbereichen beobachtet werden.

Hinsichtlich Zukunft muss festgehalten werden, dass seit 2009 im NIMH eine Forschungsplattform (RDoC) aufgebaut wird. Sie hat einen transdiagnostischen Ansatz und bildet symptombasierte Dimensionen ab, die über verschiedene Störungen hinweg auftreten. Zudem will sie die zugrundeliegenden gemeinsamen psychosozialen und biologischen Grundlagen dieser Dimensionen identifizieren.

Ziel von RDoC (Research Domain Criteria) ist ein besseres Verständnis der den Symptomgruppen zugrundeliegenden Mechanismen und eine höhere Präzision in der Diagnostik (Th. Insel, 2014).

Dennoch wird die ADHS-Diagnose auch für die kommenden Jahre eine klinische bleiben.

Apropos Diagnostik: Wie viel Prozent der Personen, die sich abklären lassen, erhalten tatsächlich die Diagnose ADHS, und wie hoch wiederum ist die Fehlerquote der ADHS-Diagnosen?

In meiner Sprechstunde sehe ich Personen, welche einerseits zur Abklärung und/oder Zweitmeinung zugewiesen werden oder bei sich selbst den Verdacht auf Vorliegen von ADHS hegen. Die meisten haben verwandte Betroffene mit ADHS. Damit besteht schon ein deutliches Bias, d.h. nur wenige Abzuklärende werden keine ADHS-Diagnose haben. Kurz gesagt: Bei einer gründlichen Abklärung ist die Fehlerquote gering. Und ganz wichtig: Nicht jede Person mit einer ADHS-Diagnose muss pharmakologisch behandelt werden. Der Leidensdruck - nicht die Diagnose - wird behandelt.

Aus Sicht der Epidemiologie spricht man weltweit von ca. 4 – 5 betroffene Erwachsene auf 100 Personen in der Bevölkerung.

Welches sind im Moment die Knackpunkte in der ADHS-Forschung?

Ein interessanter Bereich ist die Heterogenität der ADHS-Symptomatik, d.h. eine definierte Anzahl von Symptomen können sich in ganz unterschiedlicher Ausprägung manifestieren und zu ungleichen Verläufen führen. Auch bietet die Erforschung der Komorbiditäten (psychische und somatische wie zum Beispiel Neurodermitis oder Migräne) ein Potenzial an neuen Erkenntnissen. Zuletzt soll auch das Fehlen von biologischen Markern für ADHS erwähnt werden.

Stelle Dir vor, Du könntest eine Studie zum Thema ADHS in Auftrag geben. Wie wäre der Titel?

Ein genauer Titel schwebt mir nicht vor. Spannend finde ich persönlich die Themen rund um die Transition (Syndromshift) und die Frauen mit ADHS sowie den Einfluss von KI und ChatGPT auf die Diagnostik und Behandlung von ADHS.

 

 

Thema ADHS auf TikTok

Ein journalistischer Text von Dr. Susanne Kempf basierend auf einer Studie von Anthony Yeung et al. (2022) mit Kommentaren von Vorstandsmitglied Dr. med. Roland Kägi und Beirätin Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Susanne Walitza.

Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist der Trend, sich durch soziale Medien über gesundheitliche Themen zu informieren, in den letzten Jahren stark angestiegen. Ein Medium, das besondere Popularität erfährt, ist TikTok mit monatlich rund einer Milliarde aktiver User. 69% der User sind zwischen 16 und 24 Jahre alt. In Form eines auf die Plattform hochgeladenen kurzen Videos, wahlweise 15 oder 60 Sekunden lang, kann ein User eigen kreierte Inhalte an ein beliebiges Publikum transportieren. Die Mission des im Jahr 2016 gegründeten chinesischen Unternehmen lautet auf der Homepage folgendermassen: «TikTok ist das Ziel Nummer eins für kurze Handyvideos. Unsere Mission besteht darin, Kreativität zu inspirieren und Freude zu bringen». Um Videos zu einem bestimmten Thema zu finden, helfen Hashtags. Der Hashtag #ADHD ist auf Platz sieben der Rangliste der beliebtesten Gesundheitsthemen und hat über 23 Milliarden Views. Die Videos mit sogenanntem ADHS-Content beinhalten eigene Erfahrungen, Anleitungen zur Selbstdiagnose, Hilfestellungen etc. und die Urheberschaft dieser Kurzfilme deckt die ganze Bandbreite von ADHS-Betroffenen bis hin zum auf ADHS spezialisierten Psychiater ab.

Durch das grosse Interesse an dieser Art von Informationsgewinnung der jungen Erwachsenen über ADHS stellt sich die Frage nach der Qualität der Inhalte. Bei TikTok handelt es sich in erster Linie um eine soziale Plattform mit open-access, die wie oben erwähnt unter anderem «Freude bereiten soll» und weniger um ein Medium zur Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

 

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Abbildung 1 - Beispiele von Videos über ADHS auf TikTok (Quelle: www.tiktok.com)

 

Anthony Yeung und sein Team (2022) von der University of British Columbia analysierten in einer Studie die 100 am meisten angesehenen TikTok-Beiträge über ADHS auf die wissenschaftliche Qualität der Inhalte, indem die Videos nach Einschätzung von zwei Psychiatern drei Kategorien zugeteilt wurden: 1. «Hilfreich», 2. «Persönliche Erfahrung» oder 3. «Irreführend». Die ausgewählten 100 Videos wurden zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits 283'459’400-mal angeschaut. 11% der Beiträge wurden von Fachpersonen generiert, 89% von sogenannten Laien. Einer der populärsten ADHS-Fachperson, der auf TikTok aktiv ist, ist der Psychiater und Bestseller-Autor Dr. Hallowell.

 

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Abbildung 2 - ADHS-Beiträge auf TikTok von Dr. Hallowell (Quelle: www.tiktok.com)

 

Zusammenfassend kamen Anthony Yeung und sein Team zum Schluss, dass 52% der von ihnen untersuchten Videos irreführend sind, 27% wurden als «persönliche Erfahrung» klassifiziert und 21% als «hilfreich». Abgesehen davon, dass über die Hälfte der untersuchten Videos Falschinformationen verbreiten, waren es gerade diese Videos, die am beliebtesten waren und am meisten Views, Likes oder Shares erhielten. Die Resultate der Untersuchung unterstreichen die Resultate einer früheren Studie von Pratikshya Thapa et al. (2018) über die Qualität von ADHS-Beiträgen in YouTube Videos, dass Inhalte in Hinblick auf wissenschaftliche Kriterien mit Vorsicht zu geniessen sind. Pratikshya Thapa und ihr Team kamen zum Ergebnis, dass der grösste Teil der Videos (38.36%) irreführend sind und 28.93% der Videos als nicht hilfreich. Auffallend ist, dass die qualitativ minderwertigen Beiträge eine weit grössere Beliebtheit in Form von Likes erfuhren als jene, die als sehr hilfreich klassifiziert wurden. Nur gerade 5.03% der untersuchten YouTube-Videos in Bezug auf ADHS wurden als sehr hilfreich eingestuft.

Unser Vorstandsmitglied Dr. med. Roland Kägi kann in seiner praktischen Tätigkeit keine Mehrbelastung durch online-basierte Selbstdiagnosen feststellen. Relevant in diesem Zusammenhang sei, dass durch Allgemeinmedizin Praktizierende und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten eine Triage vorgenommen wird, um seine Praxis, die jährlich 80 bis 100 Kinder mit ADHS diagnostiziert, nicht zu überlasten.

Betreff TikTok und anderen Selbsttests meint Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Susanne Walitza, dass das «immer nur ein Screening oder eine erste Orientierung sein kann, da man für die valide Diagnose viele verschiedene Perspektiven berücksichtigen muss. Die Diagnose ist immer klinisch, aber nutzt standardisierte Verfahren und muss z.B. immer auch andere Störungen ausschliessen. Mit Zunahme von Tik Tok steigen bei vielen Störungen die Verdachtsdiagnosen. Psychische Störungen sollten am Ende immer von Fachpersonen gestellt werden.»

Quellen:

Thapa P, Thapa A, Khadka N, Bhattarai R, Jha S, Khanal A, Basnet B. YouTube lens to attention deficit hyperactivity disorder: a social media analysis. BMC Res Notes. 2018 Dec 4;11(1):854. doi: 10.1186/s13104-018-3962-9. PMID: 30514370; PMCID: PMC6277992.

Yeung A, Ng E, Abi-Jaoude E. TikTok and Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder: A Cross-Sectional Study of Social Media Content Quality. Can J Psychiatry. 2022 Dec;67(12):899-906. doi: 10.1177/07067437221082854. Epub 2022 Feb 23. PMID: 35196157; PMCID: PMC9659797.

 

Aufbau Fachsprechstunde ADHS und Komorbidität beim KJPD der Luzerner Psychiatrie AG

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen
Liebe ADHS-Interessierte
Im Rahmen der Psychiatrieplanung des Kantons Luzern ist es uns in diesem Jahr möglich,
eine ADHS-Fachsprechstunde mit 4 VZÄ (entspricht in etwa fünf 80%-Stellen) aufzubauen.
Die Sprechstunde unter Leitung von Professor Dr. med. Esther Sobanski und Dr. phil. Mengia Dosch ergänzt unsere Fachsprechstunden zum Thema Zwang und wird für die Gesamtregion eine wichtige Anlaufstelle werden.
Es wäre ausgesprochen interessant, wenn Mitglieder der Schweizerischen Fachgesellschaft ADHS hier mitwirken könnten und sich von Anfang an konzeptionell oder auch in der konkreten Arbeit einbringen würden.
Die entsprechenden Stellenanzeigen sind auf der Website www.lups.ch zu finden.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen auch persönlich unter der Mailadresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zur Verfügung.
Wir hoffen, mit dieser Aktivität die Situation in der Zentralschweiz deutlich verbessern zu können.
Dr. med. Oliver Bilke-Hentsch

 

Veranstaltungshinweise

 

Veranstaltung der SFG ADHS

 

Veranstaltungen Dritter

 

  • «Das weibliche ADHS» und «ADHS und Schlaf» am 26.06.2023, 9-13 Uhr, Zürich

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  • «ADHS und Stress» am 12.09.2023, WASAD CONGRESS 2023 in Zürich

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Weitere Informationen zu den Veranstaltungen finden Sie auf der Website der SFG ADHS www.sfg-adhs.ch